Heute muss ich mich aufregen. Es war sehr lange ruhig hier auf meinem Blog, aber das ist ein Thema, das sehr viele Menschen in meinem Alter betrifft. Unzählige Artikel wurden darüber schon geschrieben und viele Diskussionen geführt. Und das hier, ist mein Beitrag zur Debatte.

Worum es geht? Das Thema Praktika. Oder treffender: die Generation Praktikum – wie die heutigen 20-30 Jährigen gerne genannt werden. Unsere Generation strebe nach Selbstverwirklichung und der perfekten Work-Life-Balance. Und dafür ist sie bereit einiges zu geben. Auch, wenn immer wieder behauptet wird, die Generation Praktikum existiere nicht, habe ich persönlich andere Erfahrungen gemacht. Freundinnen, die sich überlegen, wie viel sie im Sommer verdienen müssen, damit sie während des Semesters ein Volontariat bei einer NGO machen können. Studienkolleginnen, die ihr Studium um ein oder zwei Semester verlängern, damit sich noch irgendwo ein Praktikum unterbringen lässt.

Wo beginnt das Problem?

Das Problem beginnt im Kreis der eigenen Umgebung. Früher oder später macht man sich Gedanken um die berufliche Zukunft. Dann überlegt man für sich selbst: Wo liegen meine Talente? Was kann ich gut? Und dann beginnt man sich zu bewerben. Man schaut in seinen Lebenslauf und denkt sich: Schule, Matura, Studium… Kann ich mich denn überhaupt von anderen BewerberInnen abheben? Warum sollte jemand genau mich einstellen? Was macht mich besonders?

Und schon geht es los. Von allen Seiten hört man, “ du musst Berufserfahrung sammeln“, „du darfst nicht darauf warten, dass dir die Jobs angeboten werden“, „du musst dich von deinen Mitbewerberinnen abheben“… Ich glaube, jeder versteht, was ich damit sagen will. Und weil jeder von sich selbst erwartet, besser zu sein als die anderen, entsteht ein unheimlicher Konkurrenzkampf. Wer bekommt welches Praktikum? Wer hat sich im Sommer freiwillig engagiert?

Wir vergleichen uns ständig untereinander, denn wir alle wollen besser sein. Und wir sind es ja auch. Also ich zumindest. Stimmt doch, oder?

Der „Run“ auf Praktika

Um besagten Lebenslauf also möglichst zu optimieren, beginnt ein unsäglicher „Run“ auf Praktika und Volontariate jeder Art. Man hört, dass es in der Kreativbranche oder im Journalismus besonders schlimm sein soll. In Wahrheit geht es jungen Juristen und Betriebswirtinnen genauso. Wer ein Praktikum in einer Internationalen Organisation machen will, muss sich oftmals sogar von den 350€ verabschieden, die man andernorts vielleicht noch gnadenhalber ausbezahlt bekommt. Die UNO ist da so ein Beispiel. Die zahlt grundsätzlich gar nichts an ihre Praktikanten.

Wir nehmen jedes noch so schlecht bezahlte Praktikum an oder – häufig im Fall von Journalisten – halten uns als freie Dienstnehmer über Wasser. Immer in der Hoffnung, dass bald der richtige Job kommt, die Festanstellung, das vernünftige Gehalt.

Selbst konstruierte Misere?

Laut Spiegel Online sind wir selbst Schuld daran. Wir lassen uns freiwillig ausbeuten und sind dann am Ende des Praktikums eigentlich total zufrieden damit, einen Einblick in die Berufswelt bekommen zu haben.

So ganz kann man dieses Argument natürlich nicht von der Hand weisen. Jeder sollte sich an dieser Stelle einmal kurz überlegen, wie weit man selbst gehen würde? Wie viel wäre man bereit, trotz schlechter oder gar keiner Bezahlung, zu arbeiten? Wenn ich diese Frage für mich selbst beantworten müsste, dann würde ich sagen: sehr viel. Wer den Traumjob vor Augen hat, ist bereit, sehr viel dafür zu tun. Wochenende und 9 to 5 gibt es nicht (ok, das ist man als Student sowieso meistens gewöhnt). Vor allem freie Dienstnehmer wissen was ich meine. Freitag fortgehen? Lieber nicht; sonst bleibt die Arbeit samstags wieder liegen.

Jammern auf hohem Niveau

Natürlich gilt: jeder ist des eigenen Glückes Schmied. Niemand zwingt mich dazu, ein Praktikum zu machen. Niemand verlangt von mir, samstags zu arbeiten, wenn ich nicht will. Doch es ist der Ehrgeiz, der uns vorantreibt. Von unseren Eltern wurde uns in die Wiege gelegt: Du bist etwas Besonderes. Du wirst einmal besser sein als alle anderen. Du bist intelligent, nutze dein Wissen.

Wir wollen Start Ups gründen, Journalisten werden und die Welt verbessern. Wir wollen ein Jetset-Leben führen und uns Selbstverwirklichen Natürlich könnte jeder von uns auch einen gewöhnlichen 08/15 Job machen, doch das wollen wir nicht. Wir wollen einen Unterschied machen, wir wollen, dass man sich an das erinnert, was wir tun.

Und dafür geben wir sehr viel. Dafür arbeiten wir 40 Stunden im Monat für 400€, dafür lassen wir Prüfungen sausen und opfern unsere Sommerferien. Denn irgendwann wird sich das alles ja bezahlt machen.

Und was jetzt?

Ich bin mit meinen 22 Jahren an einem Punkt angelangt, wo ich mir überlegen muss, ob ich es mir leisten kann, meinen „sicheren“ Job aufzugeben, um meiner wahren Leidenschaft nachzugehen, oder ob mir das zu riskant ist. Und eigentlich befinde ich mich noch in einer glücklichen Lage. Denn ich HABE einen sicheren Job. Einen Job, der meine Miete, meine Rechnungen, meine Urlaube finanziert. Eigentlich sollte ich mich glücklich schätzen. Doch ich will mehr. Ich will einen Job der mich erfüllt. Einen Job, bei dem ich das Gefühl habe, meine Arbeit trägt etwas bei. Meine Arbeit ist wichtig. Und ich würde dafür auch sehr viel tun. Ich würde mich bereitwillig ausnutzen lassen, mit dem Gedanken an die Zukunft im Hinterkopf.

Ich jammere auf hohem Niveau.

Aber ich jammere auch, weil ich nicht will, dass wir uns weiter mit schlechter Bezahlung zufrieden geben müssen. Warum lassen wir es uns gefallen, dass man unsere Leidenschaft gegen uns benutzt? Unseren Enthusiasmus ausnutzt. Wenn ich mich darüber aufrege, dass ein Praktikum zu schlecht bezahlt ist, interessiert das in Wahrheit niemanden. Denn es gibt immer jemanden, der den Job macht. Es gibt immer jemanden, dessen Leidenschaft den eigenen Ärger überdeckt. Und solange wir alles tun wollen, um unsere Ziele zu erreichen, werden wir ausgenutzt.

Was sagst du dazu?